Die Geschichte der Fibromyalgie. Es ist schrecklich…!

Manchmal wird Fibromyalgie als „Modediagnose“ oder „neue Krankheit“ bezeichnet, doch in Wahrheit ist Fibromyalgie alles andere als neu. Sie hat eine jahrhundertealte Geschichte mit zahlreichen Namensänderungen und verworfenen Theorien.

Obwohl die Krankheit von der medizinischen Gemeinschaft nicht immer akzeptiert wurde und auch heute nicht allgemein anerkannt ist, hat sich bei Fibromyalgie viel getan und aktuelle Forschungsergebnisse liefern weiterhin Beweise dafür, dass es sich um eine sehr reale physiologische Erkrankung handelt.

Der am häufigsten zitierte historische Bericht über Fibromyalgie stammt aus einer Arbeit der Forscher Fatma Inanici und Muhammad B. Yunus aus dem Jahr 2004. Diese Geschichte basiert auf ihrer Arbeit sowie neuen Erkenntnissen des letzten Jahrzehnts. (Alle Quellen sind am Ende des Artikels aufgeführt.)

Zurück zum Anfang – 1592–1900:
Früher hatten Ärzte nicht für alle Schmerzzustände, die wir heute kennen, eigene Definitionen. Beschreibungen und Terminologie waren zunächst allgemein gehalten und wurden nach und nach eingegrenzt.

1592 prägte der französische Arzt Guillaume de Baillou den Begriff „Rheuma“, um Muskel-Skelett-Schmerzen zu beschreiben, die nicht auf eine Verletzung zurückzuführen waren. Dieser weit gefasste Begriff umfasste neben Fibromyalgie auch Arthritis und viele andere Erkrankungen. Schließlich begannen Ärzte, den Begriff „Muskelrheuma“ für schmerzhafte Erkrankungen zu verwenden, die wie Fibromyalgie keine Deformationen verursachten.

Zweihundert Jahre später waren die Definitionen immer noch ziemlich vage.

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Der schottische Chirurg William Balfour entdeckte jedoch 1815 Knoten im Bindegewebe und vermutete, dass sowohl die Knoten als auch die Schmerzen auf eine Entzündung zurückzuführen sein könnten. Er war auch der Erste, der empfindliche Punkte beschrieb (die später zur Diagnose von Fibromyalgie herangezogen wurden).

Einige Jahrzehnte später verwendete der französische Arzt Francios Valleix den Begriff „Neuralgie“, um zu beschreiben, was seiner Meinung nach ausstrahlende Schmerzen von empfindlichen Punkten waren, die entlang der Nerven verliefen.

Andere Theorien der damaligen Zeit gingen von überaktiven Nervenenden oder Muskelproblemen aus.
1880 prägte der amerikanische Neurologe George William Beard die Begriffe Neurasthenie und Myelasthenie, um weitverbreitete Schmerzen, verbunden mit Müdigkeit und psychischen Störungen, zu beschreiben. Er glaubte, die Erkrankung sei stressbedingt. Die Entwicklung spezifischerer Begriffe erlebte zu Beginn des 20. Jahrhunderts einen explosionsartigen Aufschwung. Verschiedene Bezeichnungen für Fibromyalgie-ähnliche Erkrankungen waren unter anderem:

  • Myogelosen
  • Muskelverhärtung
  • Fibrositis

Der Begriff „Fibrositis“, der 1904 vom britischen Neurologen Sir William Gowers geprägt wurde, hat sich durchgesetzt. Die von Gowers erwähnten Symptome werden Fibromyalgie-Patienten bekannt vorkommen:

  • Spontane Schmerzen,
  • Druckempfindlichkeit,
  • Ermüdung,
  • Schlafstörungen,
  • Kälteempfindlichkeit,
  • Verschlimmerung der Symptome durch Muskelüberbeanspruchung.

Als Behandlungsmethode schlug er Kokaininjektionen vor, da Kokain damals medizinisch als Lokalanästhetikum eingesetzt wurde.
Medizinisch bedeutet „Fibro“ Bindegewebe und „itis“ Entzündung. Kurz nachdem Gowers den Namen vorgeschlagen hatte, veröffentlichte ein anderer Forscher eine Studie, die viele von Gowers’ Theorien über die Entzündungsmechanismen der Erkrankung zu bestätigen schien. Dies trug dazu bei, den Begriff Fibrositis in der Umgangssprache zu festigen. Ironischerweise stellte sich später heraus, dass diese andere Forschung fehlerhaft war.

In den 1930er Jahren stieg das Interesse an Muskelschmerzen, die von empfindlichen Triggerpunkten ausgingen, und es erschienen Diagramme mit entsprechenden Mustern. Lokale Injektionen von Betäubungsmitteln wurden weiterhin als Behandlungsmethode empfohlen.

Fibrositis war damals keine seltene Diagnose. Eine Studie aus dem Jahr 1936 stellte fest, dass Fibrositis die häufigste Form von schwerem chronischem Rheuma sei. Sie besagte auch, dass sie in Großbritannien 60 Prozent der Versicherungsfälle für rheumatische Erkrankungen ausmachte.
Ebenfalls damals wurde das Konzept des übertragenen Muskelschmerzes durch Forschung bestätigt. Eine Studie über Schmerzbahnen erwähnte tiefen Schmerz und Hyperalgesie (eine verstärkte Schmerzreaktion) und war möglicherweise die erste, die eine Beteiligung des zentralen Nervensystems an der Erkrankung vermutete.

Darüber hinaus wurde in einer Arbeit über Triggerpunkte und übertragene Schmerzen der Begriff „myofasziale Schmerzsyndrome“ für lokalisierte Schmerzen eingeführt.
Forscher vermuteten, dass die weitverbreiteten Schmerzen einer Fibrositis darauf zurückzuführen sein könnten, dass eine Person mehrere Fälle von myofaszialen Schmerzsyndromen hat.

Der Zweite Weltkrieg rückte die Krankheit erneut in den Fokus, als Ärzte erkannten, dass Soldaten besonders häufig an Fibrositis erkrankten. Da sie keine Anzeichen von Entzündungen oder körperlicher Degeneration zeigten und die Symptome mit Stress und Depressionen in Zusammenhang zu stehen schienen, bezeichneten Forscher die Krankheit als „psychogenen Rheuma“. Eine Studie aus dem Jahr 1937 legte nahe, Fibrositis sei ein „chronischer psychoneurotischer Zustand“. So entstand die bis heute anhaltende Debatte zwischen körperlichen und psychischen Erkrankungen.

Die Fibrositis wurde immer häufiger diagnostiziert, obwohl sich die Ärzte nicht einig waren, was genau es war. 1949 erschien ein Kapitel zu dieser Krankheit in einem angesehenen Rheumatologie-Lehrbuch mit dem Titel „  Arthritis und verwandte Erkrankungen“ . Darin hieß es: „Es kann keinen Zweifel mehr an der Existenz einer solchen Erkrankung geben.“ Es wurden mehrere mögliche Ursachen genannt, darunter:

  • Infektion,
  • Traumatisch oder beruflich bedingt,
  • Wetterfaktoren,
  • Psychische Störung.

Dennoch handelte es sich bei den Beschreibungen um ein vages Sammelsurium, das, wie wir heute wissen, mehrere sehr unterschiedliche Schmerzzustände umfasst. Im Allgemeinen ging es um Müdigkeit, Kopfschmerzen und psychische Belastungen, Schlafstörungen wurden jedoch nicht erwähnt.
Die erste Beschreibung einer Fibromyalgie, die dem ähnelt, was wir heute als Fibromyalgie kennen, stammt aus dem Jahr 1968. In der Arbeit des Forschers Eugene F. Traut heißt es:

  • Weibliche Dominanz,
  • Allgemeine Schmerzen und Steifheit,
  • Ermüdung,
  • Kopfschmerzen,
  • Kolitis,
  • Schlechter Schlaf,
  • Als „Sorgenboten“,
  • Bei der körperlichen Untersuchung festgestellte empfindliche Punkte,

Eine wichtige Verbindung zwischen Körper und Geist.

Neben allgemeinen Schmerzen erkannte er auch bestimmte regionale Schmerzen, die häufig auftraten, darunter das heutige Karpaltunnelsyndrom. Er erwähnte „verschiedene Ebenen der Wirbelsäulenachse“, die man vielleicht an modernen Diagnosekriterien erkennt:  Schmerzen im Achsenskelett (Kopf-, Hals-, Brust- und Wirbelsäulenknochen) und in allen vier Körperquadranten.
Vier Jahre später verfasste der Forscher Hugh A. Smythe jedoch ein Lehrbuchkapitel über Fibromyalgie, das weitreichenden Einfluss auf spätere Studien hatte und ihm den Titel „Großvater der modernen Fibromyalgie“ einbrachte. Er gilt als der Erste, der sie ausschließlich als weit verbreitete Erkrankung beschrieb und sie damit vom myfaszialen Schmerzsyndrom abgrenzte.

Smythe beschrieb nicht nur schlechten Schlaf, sondern auch, wie sich der Schlaf der Patienten anfühlte. Zudem legte er unveröffentlichte Ergebnisse einer Elektroenzephalografie (Schlafstudie) vor, die Störungen im Schlafstadium 3 und 4 zeigten. Darüber hinaus erklärte er, dass nicht erholsamer Schlaf, Traumata und emotionale Belastungen zu verstärkten Symptomen führen könnten.

Nachfolgende Untersuchungen bestätigten Schlafstörungen und zeigten, dass Schlafmangel bei gesunden Menschen zu Fibromyalgie-ähnlichen Symptomen führen kann.

Smythe war anschließend an einer Studie beteiligt, die Tender Points genauer definierte und deren Verwendung bei der Diagnose vorschlug. Chronische Schmerzen, Schlafstörungen, Morgensteifheit und Müdigkeit wurden ebenfalls als Symptome aufgeführt, die bei der Diagnose der Erkrankung helfen könnten.

Obwohl die Forscher einige Fortschritte erzielt hatten, fehlten ihnen immer noch Hinweise auf eine Entzündung – die „itis“ in Fibrositis. Der Name wurde daraufhin in Fibromyalgie geändert: „Fibro“ bedeutet Bindegewebe, „my“ Muskel und „algia“ Schmerz.

Dennoch blieben viele Fragen offen. Die Hauptsymptome waren vage und in der Bevölkerung weit verbreitet. Die Ärzte wussten noch immer nicht, was Fibromyalgie war.

Dann erschien 1981 eine bahnbrechende Studie unter der Leitung von Muhammed Yunus. Sie bestätigte, dass Schmerzen, Müdigkeit und Schlafstörungen bei Menschen mit Fibromyalgie deutlich häufiger auftraten als bei gesunden Kontrollpersonen; dass die Anzahl der Druckstellen signifikant höher war und dass auch zahlreiche andere Symptome deutlich häufiger auftraten. Zu diesen zusätzlichen Symptomen gehörten:

  • Subjektive Schwellung,
  • Parästhesien (abnorme Nervenempfindungen),
  • Überlappende Erkrankungen wie Reizdarmsyndrom (RDS), Spannungskopfschmerzen und Migräne.

In dieser Arbeit wurde ein ausreichend konsistenter Symptomkomplex nachgewiesen, um Fibromyalgie offiziell als Syndrom zu bezeichnen. Zudem wurden die ersten Kriterien nachgewiesen, um Menschen mit Fibromyalgie von anderen zu unterscheiden.

Zahlreiche Forschungsarbeiten haben seitdem bestätigt, dass diese Symptome und die damit verbundenen Erkrankungen tatsächlich mit Fibromyalgie in Zusammenhang stehen.

Yunus leitete anschließend eine Forschung, die die Theorie mehrerer sich überschneidender Erkrankungen untermauerte, darunter primäre Dysmenorrhoe (schmerzhafte Periode) zusammen mit Reizdarmsyndrom, Spannungskopfschmerzen und Migräne.

Damals glaubte er, das verbindende Merkmal seien Muskelkrämpfe, doch diese Annahme wich später der Theorie der zentralen Sensibilisierung.

Seitdem wurden zahlreiche Forschungsergebnisse veröffentlicht und Fortschritte erzielt. Wir kennen zwar noch nicht alle Fragen, verstehen aber heute viel besser, was in unserem Körper vor sich geht.
Wichtige Fortschritte sind:

1984 – Erste Studie veröffentlicht, die eine höhere Fibromyalgieprävalenz bei Patienten mit rheumatoider Arthritis feststellt;

1985 – Die erste kontrollierte Studie zu juveniler Fibromyalgie wurde veröffentlicht;

1986 – Die Wirksamkeit von Medikamenten, die Serotonin und Noradrenalin beeinflussen, wurde erstmals nachgewiesen.

1990 – Das American College of Rheumatology legt offizielle Diagnosekriterien für weit verbreitete Schmerzen und Druckempfindlichkeit an mindestens 11 von 18 spezifischen Druckpunkten fest und standardisiert damit die Einschlusskriterien für die Forschung auf der ganzen Welt.

1991 – Entwicklung eines Fibromyalgia Impact Questionnaire für Ärzte zur Beurteilung der Funktionsfähigkeit;

1992 – Entdeckung niedriger Wachstumshormonspiegel;

1993 – Studien zeigen Anomalien der zentralen Sensibilisierung und der HPA-Achse (Stressregulation);

1994 – Bestätigung einer erhöhten Substanz P (Schmerzbotenstoff) in der Zerebrospinalflüssigkeit;

1995 – Erste US-Prävalenzstudie zeigt Fibromyalgie bei 2 % der Bevölkerung

1995 – Erste SPECT (Gehirnbildgebung) zeigt abnormale Blutflussmuster im Gehirn;

1999 – Erste Studie, die eine genetische Komponente nachweist, um zu erklären, warum die Krankheit in Familien gehäuft auftritt;

2000 – Durch die Überprüfung der Beweise wird der Begriff „zentrale Sensibilisierungssyndrome“ geprägt.

2005 – Die American Pain Society veröffentlicht erste Richtlinien zur Behandlung von Fibromyalgie-Schmerzen;

2007 – Lyrica (Pregabalin) wird das erste von der FDA zugelassene Medikament in den USA (Cymbalta (Duloxetin) und Savella (Milnacipran) folgten 2008 bzw. 2009).

2010 – Das American College of Rheumatology veröffentlicht alternative Diagnosekriterien, die Fragebögen anstelle von Tender Points verwenden.

Die Forschung untermauert diese Erkenntnisse kontinuierlich und schlägt neue mögliche Ursachen und Mechanismen vor. Anfang 2014 gab es unter anderem folgende Forschungsansätze:

Entzündung der Faszie: Einige Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die weitverbreiteten Schmerzen bei Fibromyalgie tatsächlich entzündlich sein könnten, allerdings in dem extrem dünnen, körperweiten Bindegewebsnetz, der sogenannten Faszie.

Zusätzliche Nerven an Blutgefäßen:  Eine vielbeachtete Studie zeigt zusätzliche Temperatur- und Schmerznerven im Blutkreislauf.

Small-Fiber-Neuropathie: Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass bestimmte spezialisierte Nerven geschädigt sein können.
Störungen des Immunsystems: Einige Forschungsrichtungen zeigen abnorme Aktivitäten des Immunsystems, die auf eine chronische Aktivierung des Immunsystems oder Autoimmunität hindeuten können. Eine Studie deutet auf eine Autoimmunreaktion auf Serotonin hin. Eine andere schlägt einen möglichen diagnostischen Test auf Basis eines Immunprofils vor.

Mehrere Forscher arbeiten auch daran, Untergruppen der Fibromyalgie zu identifizieren, da sie darin den Schlüssel zur Erforschung der zugrundeliegenden Mechanismen und der besten Behandlungsmöglichkeiten sehen. Weitere Behandlungsmöglichkeiten werden ständig erforscht, und ein wichtiges Ziel ist seit langem die Entwicklung und Etablierung objektiver Diagnoseverfahren wie Bluttests oder Scans. Fibromyalgie hat in der medizinischen Fachwelt noch keine allgemeine Akzeptanz gefunden, ist aber näher dran denn je. Da die Forschung weiterhin zeigt, dass Fibromyalgie sowohl real als auch physiologisch ist, gewinnt diese Erkrankung an Glaubwürdigkeit und wir Betroffenen gewinnen Verständnis, Respekt und vor allem bessere Behandlungsmöglichkeiten, damit wir unsere Zukunft selbst gestalten können.

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